Der erste Standard (Rassekennzeichen)

Bereits vor der Gründung des späteren standardgebenden Vereins für Deutsche Spitze waren Rassekennzeichen für den Spitz festgelegt. Die ersten offiziellen Kennzeichen wurden am 22. Mai 1880 anlässlich der internationalen Rassehundeausstellung in Berlin durch Vertreter und Experten der zusammengetretenen Deutschen Commission festgesetzt.

Die internationale Rassehundeausstellung in Berlin im Jahr 1880 war ein bedeutendes Ereignis für die Entwicklung von Rassestandards für Hunde. Sie markierte den Beginn einer systematischen Festlegung von Merkmalen und Eigenschaften verschiedener Hunderassen. Der Bedarf an klaren und einheitlichen Standards war zu dieser Zeit aufgrund der wachsenden Beliebtheit von Hundeausstellungen und der Zucht von reinrassigen Hunden gestiegen. Die Festlegung des Standards für den Deutschen Spitz war Teil dieses Bestrebens, klare und spezifische Merkmale für die einzelnen Rassen zu definieren.

Abschrift der Rassekennzeichen aus dem Jahr 1880: 

Wolfsspitz - Großspitz - Stich von Ludwig Beckmann
Die Racezeichen des Spitzes

Die verschiedenen Varietäten unseres Spitzes haben sich von jeher fast nur durch ihre abweichende Färbung unterschieden. Als die älteste und am frühesten zur konstanten Rasse ausgebildete Form dürfte jedenfalls der noch jetzt an der Eifel und am Unterrhein (namentlich in der Gegend von Düsseldorf, Aachen, Krefeld) häufig vorkommende und in Bezug auf Form, Behaarung und Färbung sich gut und konstant vererbende graue Spitz (auch Wolfsspitz, gewöhnlicher Spitz oder Fuhrmannsspitz genannt) zu bezeichnen sein. Die schon vor der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Frankreich entstandene Benennung des Spitzes als „chien loup“ kann wohl nur in Folge der in damaliger Zeit vorherrschenden wolfsgrauen Färbung des Spitzes gewählt worden sein. Dass der Spitz, wenn auch anfänglich aus dem hohen Norden stammend, doch zuerst in Deutschland und zwar vorzugsweise an den Ostseeküsten zur bestimmten Rasse ausgebildet wurde, bezeichnen u. A. schon die alten Benennungen dieser Hunde als „canis Pomeranus“ wie auch das Englische Pomeranian und das französische „loup de Pomeranie“, wie auch das deutsche Pommer. Die in früherer Zeit häufiger als jetzt auftretenden farbigen (braunen, gelben, rahmfarbenen) wie auch die gefleckten Spitze haben sich nie einer größeren Beliebtheit erfreut und sind in neuerer Zeit fast ganz verschwunden. Dagegen wurden die einfarbig schwarze und die rein weiße Varietät schon seit Ende vorigen Jahrhunderts immer häufiger gezüchtet und allmählich zu bestimmt abgegrenzten und konstanten Rassen ausgebildet. Dazu kommen in neuester Zeit die beiden Nebenrassen der kleinen Zwerg- und Seidenspitze. Die sämtlichen Spitze Deutschlands sind daher:


A. Große Spitze,
1) Der gewöhnliche graue Spitz oder Pommer (auch Fuhrmannsspitz oder Wolfsspitz).
2) der weiße Spitz.
3) Der schwarze Spitz.

B. Kleine oder Zwergspitze.
4) Der eigentliche Zwergspitz (Zwergform der großen Spitze).
5) Der Seidenspitz (Kreuzung von Zwergspitz und Malteser).

A. Große Spitze.

Die unterscheidenden Charaktere beschränken sich vorzugsweise auf die Färbung, doch ist der gewöhnliche graue Spitz oder Pommer meist etwas größer und robuster gebaut, auch reichlicher und derber behaart, als die weißen und schwarzen Spitze. Die nachstehenden Rassekennzeichen sind daher mit Ausnahme der Färbung für alle drei Formen der großen Spitze gültig.

1. Allgemeine Erscheinung: Größe etwa 2/3 bis 3/4 der eines mittleren Hühnerhundes entsprechend. Kurz gedrungene Figur von kecker Haltung mit fuchsähnlichem Kopfe, spitzen Ohren und seitwärts auf dem Rücken gerollter buschiger Ruthe. Behaarung reichlich und locker, am Hals eine starke Krause bildend, Kopf, Ohren, Füße kurz und dicht behaart. Unruhiges, argwöhnisches Naturell, beim geringsten Verdacht sofort bellend und kläffend, daher vorzugsweise als Wachthunde gehalten und gezüchtet.

2. Kopf: Mittelgroß, von oben gesehen erscheint derselbe nach hinten am breitesten und verschmälert sich keilförmig bis zur Nasenspitze. Im Profil zeigt sich der Oberkopf hoch gewölbt, vor den Augen plötzlich abfallend, Schnauze spitz, Nasenrücken schmal, gerade, Nase rund, klein, Lippen nicht überfallend und keine Falte am Mundwinkel bildend. Ohr kurz, dreieckig zugespitzt, hoch angesetzt und immer aufrecht mit steifer Spitze getragen. Auge mittelgroß, länglich geformt und etwas schräg gestellt.

3. Hals und Rumpf: In Folge der reichlichen Behaarung ist es bei dieser Rasse unmöglich, die einzelnen Formen genauer zu beurteilen. Bei geschorenen Exemplaren finden wir, dass der Spitz meist in guten Verhältnissen gebaut ist. Hals mittellang, Rücken völlig gerade, Brust vorn tief, seitlich gewölbt und der Bauch nach hinten mäßig aufgezogen.

4. Ruthe: Mittellang, hoch angesetzt, platt auf den Rücken gebogen und dann seitlich geringelt.

5. Läufe: Mittellang, im Verhältnis zum Rumpf stämmig und völlig gerade, die hinteren im Sprunggelenk nur wenig gebogen.

6. Füße: Klein, rundlich, zugespitzt, mit gewölbten Zehen.

7. Haar: Am ganzen Kopf, Ohren, an den Füßen, wie an der Außen- und Innenseite der Vorder- und Hinterbeine kurz, weich und dicht, am ganzen übrigen Körper reich und lang behaart. Das Eigentümliche des Spitzenhaares besteht darin, dass es namentlich am Hals und Schultern ringsum locker und gerade vom Körper absteht, ohne gewellt oder zottig zu erscheinen oder sich auf dem Rücken zu scheiteln. Die größte Länge erreicht das Haar unter dem Halse, die Hinterseite der Vorderläufe trägt eine stark ausgebildete, nach unten allmählich verlaufende Feder vom Ellenbogen bis zum Fußgelenk hinunter, an den Hinterläufen reicht die Feder nur bis zum Sprunggelenk hinab, so dass der Hinterfuß von da bis zur Sohle kürzer behaart erscheint.

8. Farbe:
1) grauer gewöhnlicher Spitz: einfarbig, wolfsgrau, d. h. gelbgrau oder aschgrau, mit schwärzlichem Anflug der einzelnen Haarspitzen; an der Schnauze und der Umgebung der Augen, an den Läufen, dem Bauch und der Ruthe heller graugelb und weißlich gefärbt und zwar in ähnlicher Ausdehnung, wie die bekannten Abzeichen unserer Dachshunde, jedoch weit unbestimmter und farbloser.
2) Der weiße Spitz soll rein kreideweiß erscheinen, ohne jeden gelblichen Anflug, welcher namentlich an den Ohren häufig auftritt.
3) Die Behaarung des schwarzen Spitzes muss auch im Grunde dunkel gefärbt sein, und auf der Oberfläche als glänzendes Blauschwarz ohne alle weißen oder farbigen Abzeichen erscheinen. Bei allen 3 Spitzenformen müssen Nase und Nägel schwarz, die Augen dunkelbraun gefärbt erscheinen.

B. Kleine oder Zwergspitze.

4) Der eigentliche Zwergspitz zeigt genau dieselbe Behaarung wie die großen Spitze und unterscheidet sich von diesen nur durch die geringere Größe und dem entsprechende feinere Bauart. Die Ohren müssen sehr klein und äußserst fein behaart sein (Mausöhrchen), auch die Füßchen auffällig fein behaart. Farbe weiß, schwarz und silbergrau ohne Abzeichen. Gewicht nicht über 3 1/2 Kilo. Augen und Nase immer schwarz. Nägel dunkel.

5) Der Seidenspitz ist wahrscheinlich durch Kreuzung des Zwergspitzes mit dem Malteser entstanden und unterscheidet sich von ersterem nur durch die prächtige, fein seidenartige Behaarung. Das Haar muß jedoch, wie bei allen anderen Spitzen, möglichst grade und locker abstehen, nicht wellenförmig, gelockt, gerollt oder zottig erscheinen. Farbe weiß mit schwarzer Nase und Augen. Alle anderen Points wie auch das Gewicht ganz wie beim Zwergspitz.

Fehler:
Als Fehler sind bei den Spitzen zu betrachten: Zu stumpfe Schnauze und flacher Oberkopf, zu lange oder nicht völlig steif gestellte, oder gar nach vorn oder seitlich überschlagende Ohren, eine nicht dicht am Körper liegende, sondern hoch getragene oder hängende Ruthe, wellenförmige auf dem Rücken gescheitelte Behaarung. Beim grauen Spitz ist eine auffällige schwarze Gesichtsmaske und schwarze Flecken auf den Vorderfüßen (Daumenmarke), wie überhaupt alle schwarzen und weißen Abzeichen fehlerhaft; ebenso soll der weiße wie der schwarze Spitz durchaus einfarbig weiß oder schwarz und frei von allen Abzeichen und Flecken sein. Fleischfarbige Nasen und helle Augen immer fehlerhaft.


Quelle: Illustrierte Sport-Zeitung 19.08.1880